Im Schnelldurchgang: Kraftwerk Mitte

An einem Samstag waren wir an der Elbe in Pieschen spazieren, da wo das schöne Schloss Übigau vor sich hin verfällt. Auf dem Rückweg mit der Straßenbahn hielten wir in der Mitte Dresdens. Ich sagte zum Liebsten: „Wir können doch mal die Kulturfabrik… das Kunstkraftwerk.. Dings.. anschauen.“ Kraftwerk Mitte heißt es. Ich muss jedes Mal im Kopf nach dem Namen des einstigen Gaswerkes kramen. Das wird eine Weile bestimmt auch so bleiben, denn Dresdens Neue Mitte ist noch etwas saftlos.

Nach außen zeigt sich das bollwerkige Kraftwerk als modernes Kunstwerk der Architektur. Mitten im historischen Zentrum so eine schöne Industriearchitektur, da hat sich Dresden was getraut. Tritt man ein, laden wunderbar gestaltete rostrote Fassaden zum Stöbern und Schlendern ein. Die Staatsoperette und das tjg. theater junge generation haben hier ein neues Zuhause gefunden, wie auch die Musikhochschule. Ein Energiemuseum erläutert das ursprüngliche Dasein des Komplexes und ein charmantes Café im Hof sieht urgemütlich aus. Wir sind nun durch die breiten, von Bänken gesäumten Kraftwerkgassen gewandelt, haben in jede Ecke geguckt und waren dann wieder draußen. Huch, so schnell vorbei wie in Leipzig U-Bahn fahren.

Apropos Leipzig: in meiner Vorstellung war das neue Kraftwerk ein Ort wie die Leipziger Baumwollspinnerei. Und wohl auch in der Vorstellung der Stadt Dresden, die einen Batzen Geld in die aufwändige Sanierung des dem Verfall preisgegebenen Heizwerkes mitten im Zentrum als neuen Theaterstandort gesteckt hat – 95 Millionen, plus 9,3 Millionen für die Ausstattung. Mitfinanziert wurde der Theaterbau übrigens von den Theatermitarbeitern selbst, die seit 2009 auf acht Prozent ihres Gehaltes verzichteten (so der Tagesspiegel am 26.02.2017). Künstler und Kreative sollten hier einziehen, Eltern mit ihren Kindern hier spielen. Cocktails und Cannapés auf Ausstellungen serviert werden, Musik in den Gassen erklingen.

Die Spinnerei in der sächsischen Messestadt an der Elster jedenfalls beherbergt Dutzende Geschäfte, Ateliers, Werkstätten, Wohnungen mit windschiefen Fenstern, Bürogemeinschaften, eine Druckerei, Vereine, ein Kino, Theater… und so weiter. Hier steppt sozusagen der Bär. Es macht Spaß, hier zu schlendern, neue Graffiti zu entdecken, Aquarellpapier zu shoppen, am Töpferladen oder am Hutmacher vorbei zu kommen, Filme unter freiem Himmel zu sehen oder einfach im Cafégarten hängen zu bleiben. Der Aktionskünstler Jim Whiting feierte hier legendäre Bimbotown-Parties. Zwei Mal im Jahr darf man beim Rundgang den hier ansässigen Künstlern über die Schulter schauen (oder am Wochenende Führungen buchen) und manchmal sieht man Neo Rauch auf dem Dach rauchen.

BBgoesDD: Kraftwerk Mitte Café T1
BBgoesDD: Kraftwerk Mitte Café T1

So in etwa sah das Kraftwerk Mitte in meiner Vorstellung auch aus. Aber die Kreativen bleiben anscheinend aus, was wir fanden war gähnende Leere, penible Sauberkeit. Absolute Ruhe, nicht mal Cafégäste. Es fehlte nur noch die Begleitmusik aus bekannten Westernfilmen, pfeifender Wind und trockenes Buschwerk, das vorbei weht. In ein Café so ganz ohne Leben wollten wir uns auch nicht setzen. In Leipzig war es wohl die Subkultur, die Kultur geschaffen hat. In Dresden wartet die Kultur noch auf die Subkultur. Man munkelt von hohen Mieten, die sich Kreative lieber nicht leisten. Ich hoffe, da kommt noch etwas Leben ins Kraftwerk, es ist nämlich wirklich schön geworden.

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BBgoesDD: Kraftwerk Mitte Dresden

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